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Alma, Elisabeth und das Kummi Meiti. Geschichte aus Triesenberg, die berührt

  • Autorenbild: Andreas Krättli
    Andreas Krättli
  • 30. Juli
  • 5 Min. Lesezeit

Von Andreas Krättli, Präsident Verein Geschichte und Geschichten Liechtensteins


Ich weiss noch genau, wann ich die E-Mail von Elisabeth Kindle bekam. Sie schrieb sachlich, fast etwas vorsichtig. Aber zwischen den Zeilen war sofort zu spüren, wie viel ihr daran lag.


Sie erzählte von ihrer Mutter Alma Clara Kolb, geboren 1922 in Zürich, als uneheliche Tochter einer Frau aus Baden. Direkt nach der Geburt kam Alma ins Säuglingsheim. Im Dezember 1924 wurde sie von Maria und Alois Kindle in Triesenberg als Pflegekind aufgenommen.


Elisabeth schrieb, sie arbeite die Geschichte ihrer Mutter seit Jahren auf. Sie suche Fotos, Hinweise, vielleicht sogar Filme aus dieser Zeit.


Ich habe keinen Moment gezögert. Ich rief sie an. Und da war sie, diese Stimme, die gleich zu Beginn sagte: «Ich könnt vor Freude hüpfen.»


Dieser Satz hat mich getroffen. Im besten Sinn.


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Andreas Krättli (links), Elisabeth Kindle (Mitte) und Klaus Schädler (rechts) beim Rundgang in Triesenberg.


Ein Treffen in Triesenberg


Wenige Tage später stand ich mit Elisabeth im Fotostudio von Klaus Schädler in Triesenberg.


Ein vertrauter Ort für mich. Ich bin hier aufgewachsen. Gleich um die Ecke war der Kindergarten, in den ich als kleiner Junge ging. Ich hatte das nicht geplant, aber plötzlich war ich selbst mittendrin in einer ganz persönlichen Zeitreise.


Klaus empfing uns herzlich. Aber es dauerte keine Minute, bis auch er spürte, was für eine Geschichte uns da begegnete.


Als er hörte, dass Elisabeth von Alma sprach, brach etwas auf in ihm.


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Ein starker Moment im Fotostudio: Klaus Schädler begrüsst Elisabeth Kindle zum ersten Mal persönlich – beide wissen in diesem Moment, dass sich ihre Familiengeschichten berühren.


Ein Erlebnisbericht von Klaus Schädler


Wenn sich Erinnerungen verbinden – Alma Clara Kolb und das Kummi Meiti


Meine Grossmutter väterlicherseits ist 1887 geboren und 1977 im Alter von 90 Jahren verstorben. Ich habe schon als Jugendlicher vernommen, dass unsere Grossmutter im Alter von nur vier Jahren anno 1891 ihre Mutter Kreszenz verloren hat, und 1895, mit acht Jahren, auch ihren Vater Remigius.


Das erste Kind der Familie Remigius und Kreszenz Lampert starb 1884 im Alter von nur drei Jahren. Die Kindersterblichkeit war damals sehr hoch. 1885 kam im Ried Haus Nr. 166 dann ein Bub zur Welt. Sie tauften ihn Magnus. 1887 folgte meine Grossmutter Magdalena und 1891 das letzte der vier Kinder, Maria.


Maria war erst zehn Monate alt, als ihre Mutter Kreszenz am Triesenberg zu Grabe getragen wurde. Und so kam es, dass die drei Kinder Magnus, Magdalena und Maria irgendwo untergebracht werden mussten. Hilfsorganisationen und soziale Einrichtungen gab es damals noch nicht. Und so kamen die drei Kinder auseinander und wuchsen bei verschiedenen Familien auf.


Als dann 1986 der Triesenberger Engelbert Bucher die Familienchronik Triesenberg herausgab, wurde mir erst bewusst, dass meine Grossmutter Magdalena ja auch noch Geschwister hatte. Den Bruder Magnus, den sogenannten „Litzi-Mang“, und eine Schwester namens Maria, die offenbar im Weiler Rotenboden, genauer bei einer Familie im Kummi, aufgewachsen war. Deshalb habe man ihr am Triesenberg nur „ds Kummi Meiti“ gesagt. Dieses Kummi Meiti habe dann 1915 einen gewissen Alois Kindle geheiratet und im Sennwis Haus Nr. 14 gewohnt.


Aus der Familienchronik Triesenberg geht hervor, dass 1925 das bis dahin kinderlose Ehepaar Maria und Alois Kindle ein zweijähriges Mädchen namens Alma Clara Kolb als Pflegekind aufnahmen. Woher dieses Kind ursprünglich kam und wohin es nach dem frühen Tod ihrer Pflegemutter Maria anno 1938 kam, das steht leider nicht in der Familienchronik. Nach dem Tod der Pflegemutter und dem Wegzug von Pflegevater Alois Kindle von Triesenberg nach Triesen verliert sich in der Familienchronik Triesenberg die Spur des Pflegekindes meiner Gross-Tante Maria Kindle Lampert, also der Schwester meiner Grossmutter Magdalena.


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Der Vorstand des Vereins «Geschichte und Geschichten Liechtensteins»: (v. l.) Präsident Andreas Krättli, Initiator Walter Matt, Vizepräsident und Kassier, sowie Klaus Schädler, Schriftführer. Foto: Monika Schädler


Am 12. Juni 2025 hatten Walter Matt, Andreas Krättli und ich den Verein „Geschichte und Geschichten Liechtensteins“ gegründet und informierten dann die Öffentlichkeit mit einem Zeitungsbeitrag im „Liechtensteiner Vaterland“. Und dann geschah etwas höchst Erfreuliches und für mich völlig Unerwartetes: Elisabeth Kindle aus Triesen meldete sich bei unserem neuen Verein. Sie sei auf der Suche nach der Geschichte ihrer Mutter Alma Clara Kolb – und sie suche Personen, die ihr vielleicht weiterhelfen könnten.


Für alle eine bereichernde Begegnung


Endlich war es so weit, dass ich meine Wissenslücke über die Frage schliessen konnte, was aus dem damals zweijährigen Pflegekind Alma Clara Kolb nach dem Wegzug von Triesenberg geworden ist. Und so war es denn auch. Beim Treffen mit Elisabeth Kindle tauschten wir unser Wissen aus. Elisabeth schilderte mir die Herkunft von Alma Clara Kolb, wie sie als uneheliches Kind einer deutschen Mutter in Zürich geboren und bis zum zweiten Lebensjahr dort in einer Kinderkrippe betreut wurde, und schliesslich an den Triesenberg kam, wie es Alma nach dem frühen Tod ihrer Pflegemutter Maria erging, und dass sie eine der zwei Töchter von Alma sei.

Historische Bilder, neu entdeckt: Diese Aufnahmen stammen aus privaten Familienarchiven und erzählen Geschichten, die sonst oft vergessen gehen. Sie zeigen das Leben in Triesenberg und Liechtenstein, wie es einmal war.


Vereinspräsident Andreas Krättli und ich durften sodann Elisabeth Kindle auch ihre Wissenslücke schliessen und bei einem Rundgang durch Triesenberg zeigen, wo die Triesenberger Pflegemutter Maria im Ried zur Welt kam, wo sie in einer fremden Familie im „Kummi“ aufwuchs und schliesslich im Haus Sennwis Nr. 14 mit Alois Kindle lebte, und wo das mit zwei Jahren an den Triesenberg gekommene Pflegekind Alma Clara Kolb von 1925 bis 1938 im Sennwis Nr. 14 aufwuchs.


Für beide Seiten löste sich bei dieser schönen und auch emotionalen Begegnung ein Knoten, den Elisabeth Kindle und auch ich seit vielen Jahren im Kopf hatten.



Gemeinsam unterwegs: Auf dem Rundgang durch Triesenberg verbinden sich persönliche Erinnerungen mit historischem Wissen und echter Anteilnahme.


Erinnern heisst teilen


Ich danke Klaus von Herzen für seine Offenheit, für seine Erinnerungen und für diesen ehrlichen Bericht.


Ohne ihn wäre dieser Tag nicht das geworden, was er war.


Diese Geschichte war kein Projekt, keine Aufgabe. Sie war Begegnung, Gefühl, Erkennen. Und sie war der Anfang von etwas, das uns im Verein Mut macht.


Ein Lächeln, das bleibt: Dank dem Verein konnte Elisabeth Kindle (Mitte) ein Stück Familiengeschichte wiederentdecken – hier mit Andreas Krättli und Klaus Schädler vor dem Studio in Triesenberg
Ein Lächeln, das bleibt: Dank dem Verein konnte Elisabeth Kindle (Mitte) ein Stück Familiengeschichte wiederentdecken – hier mit Andreas Krättli und Klaus Schädler vor dem Studio in Triesenberg

Unsere Plattform wächst


Was wir am 9. Juli erlebt haben, fliesst direkt in den Aufbau unserer Plattform ein.


Wir zeigen erstmals eine Fotostrecke zu diesem Tag. Die Bilder sind nicht gestellt, sie sind echt. Sie zeigen Elisabeth. Klaus. Und mich – wie wir gesucht, gefunden, gefühlt haben.


Wir werden weitere Geschichten dokumentieren. Mit Bildern, mit Ton, mit bewegten Bildern.


Wir schaffen Platz für Erinnerungen. Für Oral History. Für Familienarchive. Für Erzählungen, die weitergetragen werden.


Du kannst mithelfen


Vielleicht hast du selbst eine Geschichte in deiner Familie. Vielleicht liegt irgendwo ein Foto, ein Tagebuch, ein Brief. Vielleicht suchst du. Oder hast schon etwas, das jemand anders sucht.


Melde dich. Schreib mir.



Oder kommentiere hier. Denn was wir aufbauen, entsteht nicht durch Technik. Sondern durch Menschen wie dich.


Wir freuen uns auf alles, was noch kommt. Denn die Geschichte Liechtensteins lebt in unseren Erinnerungen. Und in dem, was wir daraus machen.



 
 
 

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